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Sind Orgeln noch zeitgemäß?

Ehre sei Gott in der Höhe

Sind Orgeln noch zeitgemäß – oder spart die Kirche am falschen Ende?

Von Susanne Amrein
Eine Heiligabend-Messe ohne Orgelmusik - unvorstellbar. Dies könnte bald Wirklichkeit werden, denn, auch im Raum Dithmarschen werden rigoros Stellen von Kirchenmusikern eingespart. Da haben sich interessierte Bürger zu Orgelbauvereinen zusammengetan, um für eine neue Orgel zu sammeln. Andererseits streicht die Kirche einen Teil der Kantorenstelle.

Dabei gibt es in Dithmarschen noch einige wertvolle Schätze, die aus dem 16. bis 18. Jahrhundert erhalten sind und vom musikwissenschaftlichen Standpunkt her absolut erhaltenswert sind.

Im 16. Jahrhundert sind im norddeutschen Raum, so auch in Dithmarschen, zwei berühmte Orgelbauer zu nennen: Zum einen Hans Scherer, Sohn des zur damaligen Zeit sehr geschätzten Jakob Scherer aus Hamburg, der den Neubau der Orgel in der Johanniskirche zu Meldorf zwischen 1596 bis 98 fertigte und sein Meister-Geselle Anthonius Wilde. Sein erster und auch größter selbstständiger Bau als Orgelbaumeister ist die immer noch vorhandene Orgel in der Wöhrdener St.-Nicolai-Kirche.

In einer zeitgenössischen Chronik des Landes Dithmarschen berichtete Neocorus über diese mit drei Manualen und Pedal als besonders gelungenes Werk. „ ...Allen Landeslüden ein Exempel und Anreitzung wass..." Zugleich biete dieser Orgelbau ein charakteristisches Beispiel für die um 1600 überall im Lande wieder einsetzende Wertschätzung der Kirchenmusik, die auch kleine Gemeinden veranlasste sich, „zum Lobe Gottes und zur Zierde der Kirche" eine kostbare Orgel bauen zulassen.

Der Gehilfe von Anthonius Wilde, Hans Bockelmann, dehnte sein Tätigkeitsfeld zusammen mit seinem Sohn Christian aus. So war die Orgel in Hemme im nördlichen Dithmarschen im Jahre 1598, der Neubau in Brunsbüttel im Jahre 1601 und die Orgel in Marne (1601-1605) aus seiner Orgelbauwerkstatt entstanden. Tobias Brunner, ein weiterer Orgelbaumeister der Zeit, aus Lunden stammend, erbaute in der St. Martins-Kirche zu Tellingstedt eine barocke Orgel (1642). Sie wurde 1937/38 von dem Orgelbaumeister Rudolf von Beckenrath aus Hamburg „wieder entdeckt" und restauriert. Der historische Klang wurde in mühsamer Kleinarbeit so weit möglich wieder hergestellt.

Die von Johann Hinrich Klapmeyer erstellte Orgel in der St.-Bartholomäus-Kirche zu Wesselburen stammt aus dem Jahre 1740. Von dem Orgelbauer Arp Schnittger beeinflusst, baute Klapmeyer eine Orgel, von der die Konstruktionspläne bis heute erhalten sind. Daher ist eine originalgetreue Rekonstruktion möglich.

All diese historischen Instrumente haben eines gemeinsam: Sie bedürfen einer ständigen Pflege beziehungsweise Wartung oder einer vollständigen Rekonstruktion. Nur durch das Engagement vieler Musikinteressierter Bürger ist es möglich, die „Königin der Instrumente" zu erhalten.

In Dithmarschen gibt es bereits mehrere Orgelbauvereine. Im Sommer 1995 gründeten zum Beispiel zwanzig Kirchenmusik-Liebhaber den gemeinnützigen Orgelbauverein St. Bartholomäus in Wesselburen, unter ihnen auch der Kantor der Kirche Gunnar Sundebo. Die ersten Arbeiten für eine neue Orgel in Wesselburen haben bereits begonnen. Nur durch ehrenamtliches Wirken ist es möglich, solche Projekte in Angriff zu nehmen. Die Kosten für solch eine umfangreiche Handarbeit übersteigen bei Weitem die kirchlichen und öffentlichen Mittel und Spenden und Erlöse aus Konzerten sind immer willkommen. Seit 1999 setzt sich der Orgelbauverein der St.-Jürgen-Gemeinde in Heide für der Erhaltung, Verbesserung und Pflege der Orgel ein. Im Jahr 2000 rief dann Professor Neithardt Bethke in Wöhrden einen Orgelbau verein ins Leben. Der am Ratzeburger Dom wirkende Organist stammt aus Wöhrden und hat auf der Anthonius-Wilde-Orgel aus dem Jahre 1593 die ersten Übungen absolviert. Mit den Jahren hat sich seiner Meinung nach der Klang des Instruments soweit verschlechtert, dass in absehbarer Zeit dieses Instrument nicht mehr spielbar wäre. Aus Aufzeichnungen der Kirchenarchive und den al­ten Rechnungen hat man nachvollziehen können, welche Veränderungen an der Anthonius-Wilde-Orgel vorgenommen wurden. Dieses Instrument besaß ursprünglich schon drei Manuale, Pedal und ein Rückpositiv mit insgesamt 32 klingenden Registern und 1757 Pfeifen. Anthonius Wilde selbst hatte schon aus der damals vorhandenen Orgel brauchbares Material mitverwendet. Die Orgel kostete damals etwa 2850 Mark. Nach mehreren mehr oder minder sinnvollen Veränderungen an der Mechanik und dem Klang der Orgel stellt sich Professor Bethke eine vollständig historische Rekonstruktion der barocken Orgel vor.

Das Klangideal einer vergangenen Zeit soll widergespiegelt werden und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Der Vorsitzende des Orgelbauvereins Wöhrden e. V., Johannes Kirschbaum, freischaffender Organist und Komponist, möchte vor allem der Nachwelt dieses musikhistorisch wertvolle Instrument erhalten. Er möchte die Kirchenmusik mit all ihren Facetten in Wöhrden aktivieren und damit mehr Leute für die Kirchenmusik interessieren. Für die Mitglieder des Orgelbauvereins ist es ein weitgestecktes Ziel, fast eine halbe Million Euro aufzutreiben. Selbst durch Hilfestellungen und Tipps des Vorsitzenden des Orgelbauvereins Wesselburen Carl-Dietrich Spilcke-Liss, verlässt manches Wöhrdener Mitglied nach drei Jahren der Mut, an solch einem großen Projekt weiter zu arbeiten.

Ein etwas anderes Ziel hat sich die Kirchengemeinde Marne mit ihrem Kantor Peter Heeren gesteckt. Hier hat sich der Kulturkreis der Maria-Magdalenen-Kirche zur Aufgabe gemacht, das Niveau des gesamten Kulturlebens in Marne und Umgebung zu heben und aktiv mitzugestalten. Der Jugendchor Ten-Sing „Tierra Sagrada" ist wohl das bekannteste Beispiel dieses Kulturkreises. Alle Mitglieder der Orgelbau- beziehungsweise Fördervereine verbindet die unumwundene Liebe zur Kirchenmusik und damit besonders zur Orgel.

Seit gar nicht so langer Zeit setzen sich auch die Bürger von Hennstedt für ihre Orgel ein. Nur durch den selbstlosen Einsatz dieser Menschen kann die Kirchenmusik in Dithmarschen weiterleben. Umso verwunderlicher ist das Streichkonzert der Kirche an Kantoren- und Organisten-Stellen. Auch durch Musik werden Menschen in die Kirchen gelockt und nicht allein durch das Wort Gottes. Ein Heiligabend-Gottesdienst ohne das „Stille Nacht..." von der Königin der Instrumente, wäre wie Weihnachten ohne Geschenke für die Kinder.

Musik schafft den Ausgleich zu unserem hektischen oftmals Problembeladenen Leben und wo sollte man am ehesten einen Ort der Besinnlichkeit, Harmonie und Stille finden als in der Kirche. Die Kirchenmusik darf für ihre Verwaltung nicht zu einem Streichposten werden. Es sollte auch nicht sein, dass die Bürger zusätzlich zu ihrer Kirchensteuer die Musik noch finanziell unterstützen müssen. Die Kirchenkreise stecken in einem Dilemma.

Sind Orgeln denn out? Werden sie nicht mehr für den Gottesdienst gebraucht? Oder hält die Kirche sie für archaische Überbleibsel?
Die Besucherzahlen von reinen Orgelkonzerten sind leider tendenziell fallend. Den kirchlichen Grundbedarf an Orgelmusik bei Gottesdiensten, Hochzeiten, Taufen und Beerdigungen bedienen oftmals ehrenamtliche Musiker, was sich allerdings auf die Qualität der Musik 'niederschlagen könnte. Kantorenstellen werden gekürzt oder eingespart, um die Pfarrstellen in nächster Zeit zu sichern.
Um das Niveau der Kirchen- und Orgelmusik weiterhin aufrecht zu erhalten, wäre es wünschenswert, dass die Bürger mehr Interesse für ihre Kirchenmusik entwickeln, denn sonst besteht die Gefahr, dass die Kirche keinen Bedarf darin sieht, Kirchenmusik - in welcher Form auch immer - finanziell zu unterstützen.
(Quelle: DLZ vom 24.12.2003)