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Geschichte im Zeitraffer
Wöhrden schloss Staatsverträge
Wöhrden wird erstmals urkundlich erwähnt
700 Jahre Wöhrden
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Name "Siegerkirche" läßt sich nicht halten
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700 Jahre Wöhrden

Festvortrag von Nis R. Nissen

Bei den Vorbereitungen zur 700-Jahrfeier von Wöhrden wurde Ich gefragt, ob es ein Grundungsproiokoll oder irgendeine andere Aufzeichnung über die Gründung des Ortes vor 700 Jahren gäbe. Dergleichen ist heute selbstverständlich, wenn Orte zusammengelegt oder aus mehreren Orten eine neue Stadt gebildet wird, wie es in den letzten Jahrzehnten des öfteren geschah.

So etwas gibt es aus dem Mittelalter nicht. Das war nicht üblich, geschrieben wurde nur selten, lesen konnten ohnehin nur wenige. Zur Verfügung stand lediglich Pergament, das knapp und teuer war. Erhalten haben wir aus jener Zeit vor 700 Jahren nur einzelne Urkunden, mit denen Verträge geschlossen wurden, Friedensverträge oder Handelsverträge würden wir sie in unserer Sprache nennen. An so einem Vertrag beteiligten sich auch Vertreter des Kirchspiels Wöhrden im Jahre 1281. Sie treten damit für uns das erste Mal in Erscheinung. Abgeschlossen wurde der Vertrag am 7. Mai 1281 in Meldorf, vielleicht auf dem dortigen Friedhof oder in der Kirche, wie es damals üblich war. Versammelt waren Vertreter aus 13 Dithmarscher Kirchspielen und eine Abordnung des Hamburger Rates. Es ging wie schon früher um die Sicherheit des Handels der Hamburger zu Wasser und zu Lande. Reimer Witt berichtet darüber ausführlicher im Innern dieses Heftes.

Beteiligt waren Männer des Kirchspiels Wöhrden, d. h. nicht der Kirchenvcrwaltung sondern politische Vertreter. Denn in Dithmarschen waren die Kirchspiele damals zugleich Distrikte für Verwaltung und Politik, an deren Spitze große Bauern standen, die dabei waren, sich ein großes Maß an Selbständigkeit zu erwirken.

Wie lange es schon ein Kirchspiel Wöhrden gab, wie lange schon eine entsprechende politische Vertretung, wissen wir nicht.
16 Jahre früher, am 26. August 1265, war in der Stadt Meldorf schon einmal ein Vertrag zwischen Dithmarschen und der Stadt Hamburg geschlossen worden. Es ging im Grunde um dieselben Dinge, nur wurden keine einzelnen Kirchspiele Dithmarschens genannt. Wirwissen also nicht, ob Wöhrdener dabei waren oder nicht.

Mehr Urkunden haben wir leider nicht aus dem 13. Jahrhundert, die uns in unserer Frage weiterhelfen könnten. Und aus dem vorherigen Jahrhundert gibt es nur eine Urkunde von 1140, in der einzelne Dithmarscher Kirchspiele genannt werden. Damals waren es sieben, und Wöhrden war nicht dabei. In der Marsch gab es nur Büsum und ein „Uthaven", von dem wir nicht genau wissen, wo es lag.

Dennoch dürfen wir mit Sicherheit annehmen, daß auf der großen Wurt in Wöhrden auch 1140 schon Leute gewohnt haben. Solche Wurten stammen nämlich nach unserer Kenntnis aus der Zeit, in der es noch keinen großen zusammenhängenden Deich zum Schutze der Marsch gab. Einen solchen Deich dürfte es im Jahre 1140 aber bereits gegeben haben, vermutlich seit einigen Jahrzehnten. Der älteste Deich führte vermutlich über Wöhrden, ging östlichwohl noch über Hochwöhrden an den Geestrand und westlich über Großbüuel und Reins-büttel Richtung Süderdeich und Norddeich vor Wesselburen, von dort weiter nordwärts über Schülp und Strübbel an die Lundener Nehrung. In seinem Schutz entstanden die Reihensiedlungen zwischen dem neuen Deich und dem Geestrand nördlich von Wöhrden. Für die Höfe dieser Reihensiedlungcn sind keine Wurten mehr gebaut worden, allenfalls entstanden niedrige Erhöhungen durch Aushub von Graben, durch Dung, Hausreste u. a.

Wäre Wöhrden also erst im Zusammenhang mit dem Deichbau entstanden, dürfte es nicht so eine hohe Wurt bekommen haben. Sie ist älter. Aber wie alt?

Das läßt sich mit einiger Wahrscheinlichkeit nur durch Grabungen feststellen. Bis dahin sind wir auf Vermutungen angewiesen. Leider hilft uns der Name Wöhrden dabei nicht wesentlich weiter. In ihm steckt das Wort Wurt, was eigentlich nichts anderes bedeutet als eingezäunter oder erhöhter Wohnplatz (dieser Name war früher auch auf der Geest verbreitet). Die alten Sachsen kannten das Wort schon. Es wäre also denkbar, daß Leute im 8. oder 9. Jahrhundert diesen Wohnplatz Wurt nannten, vielleicht aber auch erst welche im 10. oder 11. Jahrhundert. Immerhin ist es auffällig, daß man damals einfach nur von Wurt sprach, wenn man das heutige Wöhrden meinte. Der Gedanke liegt also nahe, daß diese große Dorfwurt auch damals schon als etwas besonderes angesehen wurde, es war einfach nur „die" große Wurt = Wöhrden. Der Name Oldenwurden oder Oldenworden hat sich übrigens erst seit dem 14. Jahrhundert eingebürgert im Unterschied zu den neueren Orten wie Hohenwöhrden, Harmswöhrden u. a.

Niemand kann also bisher sagen, wie alt die Wurt von Wöhrden ist. Bestimmt aber ist sie 1000 Jahre alt. Vielleicht auch 100 oder 200 Jahre älter.

Es spricht sogar vieles dafür, daß bereits auf dem alten Marschboden unter der heutigen Wurt Leute ihr Haus gebaut haben. Auf jeden Fall sind in den letzten Jahren in der Nachbarschaft von Wöhrden, vor allem nördlich und östlich, fast 2000 Jahre alte Spuren von Siedlern gefunden worden. So in Neuenwisch, in Nienkrog, in Kämpenwurt, in Edemannswurt. Winzige Spuren sind es, Scherben von Töpfen z. B., die sich ganz gut datieren lassen. Sie gehören in die ersten 3 oder 4 Jahrhunderte nach Christi Geburt, in die sogenannte römische Kaiserzeit. Damals wagten sich die ersten Siedler in das Vorland, in die Gegend von Wöhrden. Sie kamen vermutlich von der Geestkante beim heutigen Lohe-Rickelshof oder bei Hemmingstcdt. Aber auch anderswo wagten sich Bauernsöhne hinaus. An etlichen Stellen haben wir ihre Spuren gefunden.

An einer Stelle sind sie in vorzüglicher Weise ausgegraben worden, nämlich ganz im Süden bei Ostermoor-Brunsbüuel. Dort haben um 100 nach Christi Geburt mehrere Bauernhäuser auf der Prielkante gestanden, ohne Deichschutz, ohne Wurten, aber etwas erhöht von dem übrigen Gelände durch den sogenannten natürlichen Uferwall des Priels. Die Ausgrabungen haben erstaunliche Dinge zutage gefördert, Dinge, die Sie zum Teil im Heider Museum für Dithmarscher Vorgeschichte sehen können.

Als Hauptstück ist dort ein Haus rekonstruiert worden, wie es vor fast 2000 Jahren bei Ostermoor gestanden hat. Sie können in dieses Haus hineingehen, es ist in natürlicher Größe, Maßstab 1:1 also, rekonstruiert worden. Solche Häuser haben damals mit Sicherheit auch bei Wöhrden gestanden, vielleicht sogar unter der heutigen Wurt. Und wahrscheinlich hat man hier auch schon wie in Ostermoor die höher gelegenen Partien der Marsch gepflügt, und zwar mit einem Streichbrettpflug, der die Schollen wendete wie noch heute. Das war damals ganz neu, ebenso wie das Mergeln. In Ostermoor sind nämlich Kuhlen gefunden worden, aus denen Mergel auf den Acker aufgebracht worden ist. Vor 2000 Jahren! Und das in der Marsch ohne Deiche! In manchem dürfte das Seewasser über die Äcker gegangen sein. Auch in die Häuser kam hin und wieder das Wasser. Bei den Ausgrabungen sind in den Häusern feine Schlickablagerungen festgestellt worden.

Nicht überall nahm man das tatenlos hin. Manche Bauern erhöhten ihren Wohnplatz, schufen sich kleine Wurten, so in Nienkrog und Tiebensee, wo jeweils ein oder zwei Höfe auf erhöhten Plätzen standen. Bei Neuenwisch entstand eine etwas größere Wurt, auf der vielleicht mehrere zusammengezogen sind. So genau wissen wir das alles nicht, weil wir nur diese einzelnen Funde haben, die sich auch nicht immer auf das Jahr datieren lassen. Auf jeden Fall haben die Siedler damals Jahrzehnte und Jahrhunderte ausgehalten, den Stürmen, dem Wasser und vieles Widrigkeiten zum Trotz. Vielleicht war es für manchen die einzige Möglichkeit, ein selbständiges Leben zu führen?

Seltsamerweise gibt es aus den folgenden Jahrhunderten, aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert, kaum oder gar keine Funde. Dabei dürften sich die Lebensbedingungen nicht grundlegend verändert haben. Nach unserer Kenntnis kann es eigentlich nicht daran gelegen haben, daß nun das Wasser höher stieg oder anderes passierte. Allerdings fällt in diese Zeit eine Auswanderungsbewegung der Sachsen und Angeln nach England. Zu den Sachsen dürften damals die Bewohner Dithmarschens und auch der Marsch bei Wöhrden gehört haben. Und sie mußten natürlich etwas von der Schiffahrt verstehen. Denn dort draußen war das Hauptverkehrsmittel ein Boot. Der Gedanke drängt sich also auf, daß die damaligen Bewohner der Küste sich als „Fährschiffer" nach England betätigt haben und dann auch selber dort blieben. Ob es wirklich so war, bleibt freilich eine Frage.

Also zusammengefaßt: Spuren der ersten Siedler bei Wöhrden haben wir aus der römischen Kaiserzeit, aus dem 1. bis 4. Jahrhundert nach Christi Geburt. Dann kommt eine fundleere oder fundarme Zeit, die vielleicht wenigstens teilweise mit der Auswanderung nach England zusammenhängt. Vielleicht schon im 7., bestimmt aber im 8. und 9. Jahrhundert kommen neue Siedler ins Vorland und bauen sich Häuser auf den höheren Partien bzw. erhöhen sich ihren Wohnplatz mit Dung, Soden, Kleierde oder anderem. Viele der noch heute vorhandenen Wurten sind wahrscheinlich damals entstanden, allmählich im 8., 9., 10., 11. Jahrhundert, bevor nämlich der erste große Deichbau begann. Vielleicht haben sich die Wöhrdener ähnlich wie die Wesselburener auch ihre Feldmark schon einmal mit einem niedrigen Ringdeich geschützt, vor allem auch, um die Entwässerung besser regulieren zu können. Als dann im 11. oder Anfang des 12. Jahrhunderts der erste größere Deich als Verbindungsdamm der Wurten gebaut wurde, lag Wöhrden, wie oben gesagt, in dieser ersten Deichlinie.

Dieser erste Deich ging noch nicht durch bis Ketelsbüttel. Er lief vermutlich am Rand des großen Hafen- und Entwässerungspriels südlich von Wöhrden landeinwärts in Richtung Hochwöhrden und weiter zum Geestrand in der Gegend von Nehring. Der Wasserlauf ist bis heute verfolgbar, wenn auch begradigt. Wenn man also von Meldorf nach Wöhrden kommen wollte, mußte man zunächst über Hemmingstedt am Geestrand bleiben und konnte erst bei Rickeishof westlich in die Marsch abbiegen. Wöhrden besaß „alleine einen Wech (Weg) von Osten . . ." schreibt der berühmte Chronist aus Wöhrden, Johannes Köster, genannt Neocorus, der in den Jahren vor und nach 1600 Pastor in Büsum war. Er nennt Wöhrden auch einen von Wasser umflossenen Flecken („ummflatener Flecke"). Wollte man also von Meldorf aus durch die Marsch über Ketelsbüttel nach Wöhrden, mußte man diesen großen Priel durchqueren. Durch ihn war Wöhrden in einer anderen Lage als heute. Es war einerseits durch die Schiffe besser zu erreichen, zumal der große Priel noch einen nördlichen Abzweiger hatte, der dicht an die große Wurt heranführte. Es hatte also seinen eigenen Hafen, den man sich allerdings nur als einen einfachen Schiffslandeplatz vor dem Deich vorstellen darf.
vor dem Deich vorstellen darf.

Auf der anderen Seite war Wöhrden damals vom Land her schwerer zugänglich. Es hatte eine geschütztere Lage. Wer Meldorf erreicht hatte oder gar Ketelsbüttel, war noch lange nicht in Wöhrden. So wird es verständlich, warum z. B. im Februar 1500, als König Johann sich mit seinem Invasionsheer schon in Meldorf festgesetzt hatte, Wöhrden ein Hauptversammlungsplatz für die Dithmarscher wurde. Hier hielten sich führende Leute auf, von hier aus wurden Dithmarscher Mannschaften zur Verstärkung der in verzweifeltem Abwehrkampf stehenden Besatzung der Schanze vor Hemmingstedt geschickt. Der Einsatz von Wöhrden aus hat am günstigen Ausgang der Schlacht bei Hemmingstedt entscheidenden Einfluß gehabt.

Schon früher, im Jahr 1319 ist ein Einfall fürstlicher Mannschaften in Wöhrden entschieden worden. Damals hatte es Dithmarschern als Rückzugsort gedient. Die Dithmarscher verbarrikadierten sich in der Kirche, dem einzigen massiven Gebäude zwischen strohgedeckten Fachwerkhäusern mit Lehmwänden. Neocorus schreibt, sie „befestigeden se alß eine Borch . . .", d. h., sie benutzten die Kirche als Festung. Das war damals allgemein üblich. Kirchen dienten ohnehin sehr vielen weltlichen Zwecken, völlig anders als heute. Was dann wirklich passierte, ist nicht so ganz sicher festzustellen. Berichte darüber stammen aus späterer Zeit und dramatisieren das Ereignis. Die Dithmarscher sollen also in der Kirche eingeschlossen worden sein. Als sie sich nicht ergeben wollten, setzten die Angreifer die Kirche in Brand, so daß angeblich das Blei vom Dach schmolz und innen auf die Köpfe der Dithmarscher tropfte. So sehr wahrscheinlich ist das nicht, weil eine Eindeckung mit Blei uns sonst nicht bekannt ist. Möglicherweise war etwas in Blei gefaßt. Jedenfalls sollen die Dithmarscher so wütend geworden sein, daß sie einen Ausfall machten und die Gegner, die sich schon im Besitz des Landes glaubten, töteten oder in die Flucht schlugen.

Der Sieg scheint das Selbstgefühl der Wöhrdener wie auch den Ruf ihres Ortes erheblich gestärkt zu haben. Sie haben ihre Kirche nicht nur wieder hergerichtet, sie haben sie erheblich vergrößert, so daß sie es fast mit der Meldorfer, der größten in Dithmarschen, aufnehmen konnte. Sie hätte „fast eine Krone aller damaligen Landkirchen abgeben" können, meint Pastor Bolten aus Wöhrden am Ende des 18. Jahrhunderts. Sie sei groß genug gewesen für drei solche Gemeinden wie Wöhrden. Jedenfalls war sie erheblich größer als die jetzige Kirche, nämlich rund 50 Meter lang und etwa 21 Meter breit.
Aber nicht nur mit der Kirche forderten die Wöhrdener Meldorf in die Schranken. Im Jahr 1373 vereinbarten sie mit Wesselburen, Weddingstedt, Hemmingstedt und Neuenkirchen, daß sie in Wöhrden dreimal im Jahr eigene Markttage abhalten wollten, in ausdrücklicher Konkurrenz zu Meldorf. Und sie gewährten allen Käufern und Verkäufern volle Sicherheit und ungestörten Marktfrieden. Dabei dachten sie vermutlich auch an Hamburger und Lübecker, die offenbar regelmäßig ditmarsische Märkte besuchten, wie wir aus anderen Nachrichten und Urkunden wissen.

Zwei Jahre später, am 20. Dezember 1375, kam eine Abordnung des Lübecker Rates nach Wöhrden, um mit den Vertretern des Kirchspiels einen eigenen Vertrag abzuschließen. Auch bei ihm ging es um die Sicherheit des Handels, speziell um die Bergung des Kaufmannsgutes von gestrandeten Schiffen. Darum wurden immer wieder Verträge abgeschlossen, darum war es auch 1281 gegangen. Die Küstenbewohner wollten ihr Strandrecht geltend machen, die Kaufleute hingegen versuchten, durch Verträge ihr Eigentum zu sichern.

In dem Vertrag von 1375 wird ausdrücklich vermerkt, daß er auf dem Friedhof von Wöhrden abgeschlossen worden ist. Er lag damals noch an der Kirche und hat seinen Namen nicht vom Frieden für die Toten, sondern vom Frieden für die Lebenden. Er galt nämlich als besonders geschützter Raum, auf dem gern Verträge und andere Dinge ausgehandelt wurden. Die Gräber wurden damals noch nicht einzeln abgeteilt wie heute. Friedhöfe waren verhältnismäßig freie Plätze, ähnlich wie auch der sogenannte Geschlechterfriedhof in Lun-den. Nur hatte man im H.Jahrhundert noch keine so großen Grabplatten wie sie dort liegen. Die stammen erst aus dem 16. und 17. Jahrhundert.

Die Verträge von 1373 und 1375 machen uns deutlich, wie Wöhrden damals eine besondere Rolle für die Nordermarsch spielte, für die mit Schiff anreisenden Kaufleute ebenso wie für die Landbewohner.

Von einem Bremer Chronisten (Presbyter Bremensis) wurde im nächsten Jahrhundert sogar behauptet, das Herz Dithmarschens schlage in Oldenworden („cor terre, hoc est in Oldenworden"). Neben der großen Kirche, dem Hafen, dem Markt und der besonderen Schutzlage hatte der Chronist möglicherweise den guten Boden in Wöhrden sowie die reichen Bauernfamilien im Auge, von denen manch führender Kopf der Republik Dithmarschen stammte, vor allem aus dem Geschlecht der Woldersmannen. Dieser Ruf Wöhrdens ist nach der Schlacht bei Hemmingstedt sicherlich noch verbessert worden, da Wulf Isebrand, der legendäre Führer in der Schlacht, Bauer zu Oldenwöhrden war, wenn auch eingeheiratet. Er stammte vermutlich aus Holland.

Nach dem Sieg bei Hemmingstedt am 17. Februar 1500 wurde der erbeutete Danebrog, die Fahne der dänischen Könige, in der Wöhrdener Kirche aufgehängt und nicht in Meldorf, dem Hauptort des Landes. Vielleicht geschah das Wulf Isebrand zu Ehren, vielleicht aber waren es auch Wöhrdener gewesen, die die Fahne erbeutet hatten. Auf jeden Fall kamen Kirche und Ort Wöhrden zu einer Auszeichnung, die ihre hervorragende Rolle in Dithmarschen hervorhob. Allerdings blieb die Fahne nicht dort.

Nach der Eroberung Dithmarschens 59 Jahre später mußte sie zurückgegeben werden an den 1559 siegreichen König.
Die Geschichte mit dieser Fahne kann fast symbolisch stehen für das Schicksal von Wöhrden. Die Jahrzehnte vor und nach der Schlacht bei Hcmmingstedt scheinen die beste Zeit des Ortes gewesen zu sein. Außer der Fahne sind auch Urkunden in der Kirche aufbewahrt worden, die in der Republikzeit Dithmarschens ausgefertigt worden waren. Vorher lagen sie in der Meldorfer Kirche. Seitdem sich die Republik im Jahre 1447 mit den „48ern" ein oberstes Schiedsgericht geschaffen hatte, das regelmäßig jede Woche in Heide auf dem Markt tagte und das bald immer mehr Regierungskompetenzen an sich zog, hatte sich das Schwergewicht der Republik von Meldorf nach Heide verlagert. Die dortige kleine Kirche schien aber zur Aufbewahrung wichtiger Urkunden nicht sicher genug. So wurden sie nach Wöhrden gebracht oder auch nach Wesselburen. Das war zweifellos ein Gewinn für Wöhrden.

Auf der anderen Seite aber dürfte das aufstrebende Heide in seiner günstigen Lage zwischen Geest und Marsch eine starke wirtschaftliche Konkurrenz für Wöhrden geworden sein. Dazu kam nach der Eroberung 1559 die politische Hervorhebung Heides durch die Einsetzung eines Landvogtes als höchsten Vertreter des Gottorfer Herzogs für seinen Teil Norderdithmarschens. Die Fürsten ließen zwar die meisten dithmarsischen Einrichtungen bestehen, sorgten aber doch durch ihre zentrale Herrschergewalt dafür, daß die einzelnen Kirchspiele nicht mehr so viele Sonderrollen spielen konnten, wie es in der bundesstaatlich organisierten Republik gewesen war.

Es müssen sich auch noch weitere Veränderungen nachteilig für Wöhrden ausgewirkt haben. Durch die Abdämmung des Priels zwischen Wöhrden und Ketelsbüuel, die wir nicht genau datieren können, die sicher aber noch in die Republikzeit fiel, verlor es an natürlichem Schutz. Auch wurde es auf dem Land von Meldorf aus leichter erreichbar, so daß der eigene Wöhrdener Hafen an Wichtigkeit verlor. Der Hafen rückte ohnehin weiter vom Ort ab. Im Winkel zwischen Ketelsbüttel und Büttel nämlich war sehr viel Vorland angewachsen. Es wurde 1601 abgedeicht und bekam den Namen Oldenwordener neuer Koog („Oldenworder newe Koeg").

Wöhrden geriet also in den Windschatten der Entwicklung, in dem es bis heute geblieben ist. Dagegen kamen anderen Orten Veränderungen zugute. So zog Meldorf seinen Vorteil daraus, daß es Sitz des fürstlichen Landvogts für den Süderteil wurde. Und Büsum verbesserte seine Situation dadurch, daß die Insel mit dem Wahrdamm 1585 landfest und mit dem Wahrdammskoog 1599/1609 ein Teil Norderdithmarschens wurde, der günstiger zur Nordsee lag und sich mit Schiffen besser erreichen ließ als Wöhrden.

Wöhrden mußte nur Nachteile in Kauf nehmen. Die Situation des Ortes verschlechterte sich, es fiel in eine Randlage, die nicht mehr durch Schiffsverkehr oder andere Dinge kompensiert werden konnte. Dagegen haben sich Orte wie Wesselburen, Lunden, Hennstedt, Marne aufgrund einer Mittelpunktslage weiter entwickeln und schließlich Wöhrden überflügeln können. Sicher ist es bezeichnend für das Schicksal von Wöhrden, daß die alte Kirche 1786 abgebrochen worden ist. Sie war in einem schlechten Zustand, sie war aber auch zu groß geworden. Der Neubau von 1788, die heutige Kirche, fiel kleiner aus, allerdings stattlich genug noch für ein Kirchspiel, modern auch für damalige Zeiten. Wer sie aber mit der größeren Wesselburener vergleicht, die rund 50 Jahre früher neu gebaut worden war, erkennt, wie sich die Entwicklung umgekehrt hatte.

Literaturhinweise
Arnold, Volker: Das erste Marschenhaus .. . Zeitschrift „Dithmarschen" 2/1979, Seite 71 ff.
Bokelmann, Klaus: Neue Funde und Beobachtungen zur frühen Besiedlung der Nordermarsch in Dithmarschen. Zeitschrift „Dithmarschen" 2/1980, Seite 74 ff.
Hansen, Reimer: Die alte Wöhrdener Kirche. Zeitschrift „Dithmarschen" 3/1967, Seite 53 ff. Dort auch die Zitate von Neocorus. Hansen, Reimer: Geschichte der Kirchengemeinde Wöhrden. Heide 1923.
Laut; Wolfgang: Die Ortsnanfen in Schleswig-Holstein, Schleswig 1960 (Gottorfcr Schriften VI) und
Ders.: Historisches Ortsnamenlexikon von Schleswig-Holstein, Schleswig 1967 (Gottorfcr Schriften Band VIII).
Nissen, Nis Rudolf: Wagnis im I. Jahrtausend: Das Wohnen zwischen Prielen. Blätter zur Heimatkunde in Zeitschrift „Dithmarschen" 3/1974 und
Ders.: Herren und Genossen bei dem ersten großen Deichbau. Blätter zur Heimatkunde in Zeitschrift „Dithmarschen" 2/1975 und Ders.: Die Dithmarscher Kirchspiele. Blätter zur Heimatkunde in Zeitschrift „Dithmarschen" 2/196S.
In den einzelnen Beiträgen finden sich jeweils weitere Literaturangaben.

(Quelle: Blätter zur Heimatkunde erscheinen als Beilage zur Zeitschrift "Dithmarschen". Herausgegeben vom Verein für Dithmarscher Landeskunde und von der Westholstcinischen Verlagsanstalt Boyens & Co., Heide. Redaktionsausschuß: Nis Rudolf Nissen, Kurt Schulte, Otto G. Meier, Volker Arnold. Heft Nr. 1/2, 1981)