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Neithard Bethke als Organist, Dirigent, Cembalist, Musikpädagoge und Organisator. Hier ist in erster Linie seine Arbeit mit dem Ratzeburger Domchor und den Ratzeburger Domfinken, mit dem Deutschen Bachorchester zu nennen. 1999 feierte er das dreißigjährige Jubiläum seiner Zusammenarbeit mit dem Domchor. Auch hier ist zunächst von der Vielfalt seines Musizierens zu reden. In jedem Jahr wurden bis zu 8 große Chorwerke einstudiert und aufgeführt. Die Werkauswahl reichte von Monteverdi bis zur Moderne. Auf dem Programm standen, um nur einiges in Auswahl zu nennen, die Matthäus- und die Johannespassion, das Weihnachtsoratorium und sämtliche Messen von Bach, Messen von Mozart, Cherubini, Beethoven, Bruckner und Dvorak, der "Messias" von Händel, die "Schöpfung" von Haydn, "Paulus" und "Elias" von Mendelssohn, die Requien von Mozart, Brahms, Verdi und Bruckner. Es sei erinnert an Bethkes Rekonstruktion und Aufführung der Markuspassion von Johann Sebastian Bach. Unter den Modernen sei die unvergessliche Aufführung der Apokalypse von Rudolf von Oertzen genannt, deren Uraufführung in Berlin durch Furtwängler erfolgte, und die Neithard als Zweiter in Ratzeburg und Bonn aufführte. Werke moderner Komponisten wurden in Ratzeburg ur- oder erstaufgeführt. Zahlreiche Mitschnitte von Ratzeburger Domkonzerten erschienen als Schallplatte oder CD.
Was der Dirigent Bethke für den Chor bedeutet, das wird von einem der langjährigen Chormitglieder zu sagen sein. Ich kann hier nur als Laie sprechen, als einer, der seit 27 Jahren regelmäßig zu den Konzertbesuchern in Ratzeburg gehört. Wie Musik klingt, ist schwer oder gar nicht in Worte zu fassen. Lassen Sie es mich ganz persönlich sagen: Jedes Mal, wenn ich ein von Neithard Bethke geleitetes Konzert höre, fühle ich mich unsagbar bereichert und beschenkt. Es will so scheinen, als kommen die Mauern und Pfeiler und Gewölbe des Ratzeburger Domes selbst zum Klingen, als sei die Zeit, in der die Musik entstand, präsent, als sprächen Bach, Mozart und Brahms selbst zu uns. Selbst Werte, die man schon oft gehört hat, klingen wie neu.
Die musikalische Tätigkeit von Neithard Bethke beschränkt sich nicht auf die Ratzeburger Domkonzerte. Fast alljährlich finden in Ratzeburg im Sommer internationale Orgelwochen statt, an denen Organisten aus aller Welt beteiligt sind. Seit 1969 organisiert und leitet Bethke die von ihm ins Leben gerufene Ratzeburger Sommerakademie, bei denen renommierte Musikpädagogen und Künstler Meisterkurse für Musikstudenten durchführen. Über 1000 Studierende nahmen bisher an diesen Kursen teil. Sie sind inzwischen selbst ausübende Künstler; einige sind Dozenten und Professoren.
Zu Bethkes Lehrtätigkeit gehören Gastdozenturen und -professuren in St. Petersburg, Hongkong, Singapur, Sydney, Perth, Mailand, Santiago de Chile.
Seine musikalische Tätigkeit beschränkt sich nicht auf Ratzeburg. Mit seinem Chor gab er zahlreiche Gastkonzerte im Ausland. Er selbst war tätig als Organist, Cembalist und Dirigent in Belgien, England, Holland, Irland, Frankreich, Italien, Island, in Estland, Lettland, Litauen, Finnland und Schweden, in Polen, Tschechien, Russland, Rumänien, Ungarn, Kasachstan, Georgien, Armenien; in Spanien, Schweiz, Österreich, Jugoslawien, Norwegen, Dänemark, Liechtenstein; in anderen Erdteilen in Hongkong, Singapur, Australien, Nord- und Südamerika, in Kanada und China.
Dabei machte er sich einen Namen nicht nur als Kirchenmusiker sondern auch als Operndirigent. Figaros Hochzeit, La Traviata, Aida, Nabucco, La Bohéme, Carmen, Meistersinger, Tannhäuser, Parsifal, Freischütz u.a. gehören zu seinem Repertoire.
Bei der Einrichtung der Domkonzerte, der Orgelwochen, der Sommerakademien, bei der Geldbeschaffung für den Bau von drei Orgeln im Ratzeburger Dom bewies Neithard Bethke ein beträchtliches Organisationstalent.
All diese Unternehmungen betrieb Neithard Bethke mit höchstem persönlichem Engagement, wobei er auch persönliche finanzielle Opfer brachte. Beim Bau der drei neuen Orgeln im Dom, den er gegen alle Widerstände mit eiserner Energie und unbeirrbarer Beharrlichkeit durchsetzte, und bei der Finanzierung der Domkonzerte setzte er persönliche Mittel ein, nahm hohe persönliche Kredite auf und verwendete alle Einnahmen aus Konzertreisen zur Begleichung dieser Schulden. Das stellte manche Anforderungen auch an die Familie, ohne deren Bereitwilligkeit das Wirken Neithards nicht möglich gewesen wäre, und der an dieser Stelle von Herzen gedankt sei.
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