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Die Wöhrdener Bücher sind mit die ältesten Schleswig-Holsteins. Propst Henning Kiene wirbt heute Abend um Sponsoren, die sich finanziell an der Restauration beteiligen
Dithmarschen Werner Koch Vor einem Jahr stieß Dr. Anette Göhres aus Kiel auf einen Schatz. Sie durchforstete für die Nordeibische Kirche Archive auf der Suche nach Personenstandsregistern. Im Archiv der Kirchengemeinde Wöhrden wurde sie fündig. Sechs handschriftliche „Wöhrdener Bücher" aus den Jahren 1514 bis 1613 geben Auskunft über die frühneuzeitliche Kirchen und Wirtschaftsgeschichte in der Vorreformationszeit. Jetzt sollen sie restauriert werden.
„Diese Quellen haben für die Wirtschaftsgeschichte einen sehr hohen Stellen wert", sagt Dr. Klaus Jürgen Lorenzen-Schmidt, Sprecher des Staatsarchivs in Hamburg. Nach der wissenschaftlichen Auswertung könnten Erkenntnisse über die Bedeutung des kirchlichen Vermögens und die frühe Kreditwirtschaft gewonnen werden.
„Seit etwa sechs Jahren ahnten wir, dass wir etwas Wert volles im Keller haben", sagt Günter Claußen, der seit 1977 im Kirchenvorstand aktiv ist und sich als „ehrenamtlichen Haumeister" bezeichnet.
Die vorreformatorische Kirche war ein reichlicher Geld Sammler. Sie war darauf angewiesen, ihre Einnahmen zu verzinsen, die aus Stiftungen, Kommenden. Stipendien und Memorien stammten. „Anzeichen aus anderen Quellen sprechen dafür, dass die Westküste Schleswig-Holsteins, insbesondere die weitgehend freie Bauerngesellschaft Dithmarschen, im Hinblick auf Marktanbindung und Kreditverkehr neben den Städten im Lande eine gewisse Vorreiterrolle einnahm", schreibt Lorenzen Schmidt in seinem Gutachten zum historischen Wert des Fundes.
„Da sind mindestens sechs Doktorarbeiten drin", schätzt Süderdithmarschens Propst Henning Kiene. „Allerdings läuft uns die Zeit davon, denn die .Wöhrdener Bücher' sind in einem katastrophalen Zustand". sagt der Propst. „Der Keller sei in den vergangenen Jahren mehrmals „abgesoffen", erklärte Günter Claußen seinem Pastor Dietmar Gördel bei einem Ortstermin.
„Feuchtigkeit, Schimmel und Bakterien haben das Pergament völlig in seiner Struktur zerstört", erklärt die Hamburger Restauratorin Anke Metz. Das Holz der Einbände sei durch den Klopfkäfer bis zur Unbrauchbarkeit aufgefressen. Auch Fußspuren von Nagetieren sind sichtbar. „Das Pergament muss gereinigt und desinfiziert werden, Fehlstellen sind mit neuer Papierfaser zu ergänzen, der Buchblock wird dann mit historischer Technik neu aufgeheftet", sagt Metz.
Sie hat auch Fragmente der Rendsburger Gutenbergbibel bearbeitet und dafür ein neues Verfahren für die Papierfaserung entwickelt. Pro Band rechnet sie für die aufwendige Einzelblatt Restauration mit Kosten von 6000 Euro. „Das kann die Kirchengemeinde Wöhrden als Eigentümer auch nicht mit Unterstützung von Kirchenkreis und Landeskirche finanzieren", rechnet Kiene vor. Deshalb lädt er alle Interessierten heute (14.09.2004) um 18.30 Uhr in den Meldorfer Dom ein, um das Restaurierungsprojekt vorzustellen. Danach werden die Bücher noch vier Wochen im Landesmuseum ausgestellt.
Anke Metz wird Einblicke in ihre Arbeit geben. Dazu werden weitere Experten zu Wort kommen. „Wir hoffen zwar am Rande auf einen Austausch unter den Fachleuten. Gedacht ist diese Veranstaltung aber für Jedermann, der sich mit dem Mittelalter beschäftigt", betont der Propst.
Da bisher nur Geldmittel für die Restauration von zwei Büchern vorhanden sind, hofft Kiene auf Sponsoren, die sich mit ihren Namen oder ihrer Firma diesem Projekt verbunden fühlen. Er will in vier Jahren die restaurierten Bücher präsentieren. „Das ist nach Meinung der Restauratorin unser knappes Zeitfenster, um die fast ältesten Bücher Schleswig Holsteins zu erhalten", fügt er hinzu. Quelle: Dithmarscher Rundschau v. 14.09.2004
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