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„Blutnacht von Wöhrden" am 7. März 1929
Geldentwertung, Arbeitslosigkeit, rückläufige Welthandelspreise sind nicht zu übersehende Gründe einer sich in Deutschland anbahnenden Wirtschaftskrise. Eine Missernte 1927 trifft ganz besonders die Bauern hart. Mancher gerät in große finanzielle Schwierigkeiten. - Die „Landvolkbewegung" entsteht.
Eine von ihr im Januar 1928 auf dem Heider Markplatz durchgeführte Kundgebung wird mit 20.000 Teilnehmern zur größten Demonstration der schleswig-holsteinischen Westküste.
Unter den 11.000 Beschäftigten in der Landwirtschaft sind die Bauern, um deren Probleme es vorrangig geht, eindeutig eine kleine Minderheit.
Die reichsweite Linksorientierung bei der Reichstagswahl am 10. Mai 1928 (SPD und KPD erhalten 42 % der Mandate) bleibt in Dithmarschen aus. Stattdessen erzielt die NSDAP riesige Gewinne. Sind es im Landesdurchschnitt in Schleswig-Holstein 15 %, so kommen einige Orte Dithmarschens, wie Albersdorf auf 42 % und Wesselburen immerhin noch auf 20,6 % der Wählerstimmen. Auf einer Versammlung der Nationalsozialisten im Oktober 1928 in Wesselburen mischt sich Kommunist Christian Heuck, Wesselburen, mit einer Gruppe Kommunisten unter die Versammlungsteilnehmer. Sie geraten bald aneinander. Als es zu Handgreiflichkeiten kommt, lässt der Wirt das Lokal räumen.
Anlässlich einer Versammlung der „Landvolkbewegung" am 28. Februar 1929 in Wöhrden kommt es wieder zu tätlichen Auseinandersetzungen zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten, bei denen letztere den Kürzeren ziehen. Am 7. März 1929 beabsichtigt die NSDAP-Ortsgruppe Heide eine öffentliche Kundgebung in Wöhrden durchzuführen. Tags zuvor findet auf dem Heider Marktplatz eine Erwerbslosenversammlung statt, auf der Christian Heuck zum 7. März zu einer Gegendemonstration in Wöhrden aufruft. Landrat Friedrich Pauly hatte aber bereits mit einem Verbot der NS-Kundgebung reagiert. Die Nazis funktionieren ihre öffentliche Kundgebung kurzerhand in eine geschlossene Mitgliederversammlung um und führen diese um 20 Uhr in der Gaststätte „Handelshof“ in Wöhrden durch. Hauptredner ist der SA-Oberführer Major a. D. Dinklage aus Hannover.
Gegenüber, in der Gastwirtschaft „Zur Börse" (hier befindet sich heute das Sparkassengebäude) haben sich trotz Verbotes die Mitglieder der Dithmarscher S.A. einquartiert. Zusammen dürften es an diesem Abend 300 NS-Anhänger sein. Mit etwa 100 Kommunisten ist Heuck an diesem Abend nach Wöhrden gekommen. Dreimal marschieren sie an den Versammlungslokalen der NS vorbei, singen laut die „Internationale" und sparen nicht mit Schmäh- und Schlachtrufen, wie „Nieder mit Hitler!" etc., um sich dann bei der Kirche zu sammeln.
Nach Abschluss der NS-Versammlung lässt Emil Grantz, Standartenführer der Dithmarscher SA, alle NS-Mitglieder antreten. Im Gleichschritt geht es durch Wöhrden. Wenn Kommunisten dies dürften, hatten sie wohl ein gleiches Recht, so ihre Begründung. Um 2l30 Uhr kommt, was kommen muss, beide Kolonnen treffen aufeinander.
Die NSDAP marschiert die Große Straße hinunter und biegt nach links in die heutige Meldorfer Straße, in Richtung Gasthof „Handelshof" ab. Die Kommunisten befinden sich am unteren Ende der Lindenstraße. Als sich schon ein Teil der Nazi-Kolonne in der Meldorfer Straße befindet, stoßen sie auf ihren „Feind". Ein fürchterliches Gemetzel beginnt. Später wird behauptet, die Kommunisten seien mit Stacheldraht überzogenen Stöcken, Nagelgespickten Knüppeln, Schlagringen, Messern usw. bewaffnet, die Nationalsozialisten, ihren eigenen Angaben zufolge, völlig unbewaffnet gewesen.
Polizei, die bis dahin das Szenario beobachtet hatte, ist schnell zur Stelle, um die Kontrahenten auseinander zubringen Es gibt 7 Schwer- und 23 Leichtverletzte. Zwei Nationalsozialisten, Hermann Schmidt, St. Annen und Otto Streibel, Bunsoh sowie der Kommunist Johannes Stürzebecher, der in Wöhrden zu Besuch bei Verwandten weilt, finden den Tod.
Die Beerdigung des Kommunisten Stürzebecher, dessen Leiche zuvor obduziert worden ist, findet am 11. März in Wöhrden mit Schalmaienkapelle, vielen KPD-Anhängern und mit einem großem Polizeiaufgebot statt.
Unter großem Aufgebot der NSDAP, Adolf Hitler kommt persönlich, werden die Nationalsozialisten Schmidt am 12. März in St. Annen bzw. Streibel am 13. März in Albersdorf begraben.
Die Propagandatrommel der Nazis macht die so genannte „Blutnacht von Wöhrden" im ganzen Reich bekannt. Wöhrden heißt auch nach dem 2. Weltkrieg noch in vieler Munde, in Anlehnung an die Farbe der Kommunisten „Das rote Wöhrden".
Die Kommunisten hatten aber in Wöhrden nie die Bedeutung, die ihnen vom nationalsozialistischen Propagandaapparat zugeschrieben worden ist.
Wöhrden war Austragungsort, nicht mehr und nicht weniger!
Am 13. Februar 1934 wird aus Osterwohld für die Errichtung eines „SA-Denkmals" ein 8 t schwerer Findling herbeigeschafft. Er findet am 8. März auf einer 36 m2 großen Fläche, im Garten rechts neben der Meierei, als Denkmal für die SA-Leute Schmidt und Streibel seine Aufstellung.
Am 6. März 1939 führt die NSDAP mit großem Trara eine Zehnjahresfeier zur Erinnerung an die „Blutnacht von Wöhrden" durch, an der die Schulen im Kirchspiel, aber auch viele Bürger teilnehmen.
Heute erinnert nichts mehr daran. Das Denkmal wird mit Genehmigung der Gemeindevertretung im April 1950 von einem Wöhrdener Bürger aus Wackenhusen kostenlos abgebrochen. An dieser Stelle steht jetzt in der Meldorf er Straße das Haus Nr. 7. Quelle: Geschichte der Gemeinde Wöhrden, S. 221 - 224)
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